Zur Kritik der Bewegungstheorie von Hardt/Negri und Holloway
8. Februar 2008 / 20 Uhr / Infoladen Bremen, St.-Pauli-Str. 10-12, 28203 Bremen
Diskussionsveranstaltung mit Fabian Kettner (rote ruhr uni Bochum)
„Der Kommunismus ist einfach. Jeder kann ihn verstehen.“ (Donald Duck, Lustiges Taschenbuch Nr. 124, Sindelfingen 1989, S. 12)
„Wir leben bereits im Kommunismus.“ (Antonio Negri)
Mit den Protesten gegen die diversen Gipfeltreffen von WTO, IWF und G8 in Seattle, Prag und Genua schien seit Ende der 1990er Jahre die linke Tristesse seit dem Ende des Realsozialismus vergangen. Nicht länger nur in marginalen Zirkeln der radikalen Linken wurde über eine emanzipatorische Transformation der herrschenden Verhältnisse diskutiert, auch im bürgerlichen Feuilleton wurde Antikapitalismus wieder en vogue. Vor allem das Werk „Empire“ von Michael Hardt/Antonio Negri avancierte dabei zur viel diskutierten theoretischen Referenz der Globalisierungskritik. Ähnlich wie John Holloway mit seinem Buch „Die Welt verändern, ohne die Macht zu ergreifen“ versuchen die in der Tradition des Postoperaismus stehenden Autoren mit ihrer Analyse der gegenwärtigen kapitalistischen Verhältnisse die Beschränkungen des traditionellen Marxismus zu überwinden. Weder die arbeitende Klasse noch die antikolonialen Bewegungen gelten ihnen länger als Hoffnung gesellschaftlicher Emanzipation. Als revolutionäres Potential verstehen sie stattdessen die Multitude als Gemeinsamkeit diverser Singularitäten von immatriellen und migrantischen Arbeiter_innen, subkulturellen und feministischen Bewegungen, subalternen und indigenen Kämpfen. Durch die Verbindung dieser verschiedenen sozialen Kämpfe konstituiere sich ein neues kollektives Subjekt, welches schließlich das Empire als aktuelle Form postnationalstaatlicher Souveränität überwinden könne, um den Kommunismus zu realisieren. Erscheint die Kritik an Leninismus, Antiimperialismus und Etatismus der traditionellen Linken auf den ersten Blick interessant, so offenbaren sich bei genauerer Lektüre verschiedene Widersprüche. Trotz ihres neuen Vokabulars von Empire, Multitude und immatrieller Arbeit bleiben sowohl der Postoperaismus von Hardt/Negri als auch der open marxism von Holloway meist im Kontext einer klassenkämpferischen traditionellen Linken. Die Stabilität und Integrationsfähigkeit kapitalistischer Verhältnisse und die Ambivalenzen sozialer Bewegungen und Kämpfe werden mit Bewegungsoptimismus und Revolutionsromantik ignoriert. Ihr Begriff von immatrieller Arbeit verkündet aufgrund der Akkumulation von Wissen und der Popularität von Netzwerken bereits die freie Assoziation freier Individuen und glorifiziert so die häufige Selbstausbeutung und Prekarität. Ebenso problematisch ist der Begriff der Multitude, unter welchen diverse Kämpfe subsumiert werden, welche außer ihrer diffusen Ablehnung des Neoliberalismus kaum miteinander zu schaffen haben und wie beispielsweise die palästinensische Intifada keineswegs als emanzipatorisch oder gar subversiv bezeichnet werden können. Verschiedenen Kritiker_innen zufolge mögen die Bewegungstheorien von Hardt/Negri und Holloway mit ihrer Revolutionsromantik sozialen Bewegungen Hoffnung stiften, eine radikale Kritik der nach wie vor in emanzipatorischem Sinne aufhebenswerten Verhältnisse liefern sie aber weniger. Anhand der zentralen Thesen von „Empire“ und „Multitude“ formuliert der Referent eine Kritik am Bewegungsfetischismus und Revolutionsromantik bei Hardt/Negri wie auch bei Holloway.
Fabian Kettner ist Mitglied der roten ruhr uni Bochum. Veröffentlichungen zum Thema unter anderem: Fabian Kettner (2002): How to strike back the „Empire“,Fabian Kettner (2006): Das Verhältnis des Theoretikers zur Bewegung. Eine Fallstudie: John Holloway, ; Fabian Kettner (2005): Die Besessen von Gesara. Michael Hardt und Antonio Negri setzen die Suche nach der Multitude fort.
Die Veranstaltung wird organisiert von der Rosa Luxemburg Initiative Bremen in Kooperation mit associazione delle talpe / Bremen.