Gegenkultur als neue Regierung? – Forum Moderne Linke 2

Bericht zu dieser Veranstaltung

Samstag 30. Juni 2007, 14 bis 18 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4/5, 28195 Bremen

Frisst der Kapitalismus seine Kinder? Nein, er verstrickt sie in Projekte. (Luc Boltanski)

Wie oft im wirklichen Leben, ist es paradox. Im Diskurs der linken Partei sind gegenkulturelle und alternativökonomische Ansätze von Aneignung, Autonomie und Selbstverwaltung unterrepräsentiert beziehungsweise gar nicht vorhanden. Es wäre zu begrüßen, wenn die politische Linke auch diese Vorstellungen als unverzichtbaren Bestandteil linker Tradition anerkennen würde.
Gleichzeitig ist aber nicht zu übersehen, dass diese Vorstellungen mittlerweile als Bestandteil des Postfordismus kritisch zu hinterfragen sind. Das Normalarbeitsverhältnis, soweit es je als Norm bestand, wurde in den letzten 30 Jahren durch Kämpfe von unten und Strategien von oben aufgekündigt. Zu fragen ist weiter, inwiefern diese Prinzipien nicht zu einer neuen Form der Ausbeutung und Selbstbeherrschung beigetragen haben, und wie dies geschah.

Die Hegemonie des Neoliberalismus besteht heute eben auch darin, dass er Bedürfnisse von unten (nach Geschlechtergerechtigkeit, Flexibilität in der eigenen Lebensgestaltung etc.) aufgreift und in seine Sprache übersetzt und transformiert.

Diese Veranstaltung fragt danach, inwieweit (ehemals?) gegenkulturelle und alternativökonomische Ansätze – wie etwa Netzwerke, Team- und Projektarbeit, Empowerment, Selbsthilfe, Dezentralisierung oder das Einbringen von Subjektivität in die Arbeit – mittlerweile Eingang in „normale“ Arbeitsverhältnisse und in staatliche Strategien gefunden haben. Das Streben nach „Autonomie“ und Selbstbestimmung hat heute zu einer neuen Form der Selbstregierung und damit zu einer Verfeinerung von Herrschaft beigetragen. Die Fragen liegen in aller Widersprüchlichkeit auf dem Tisch:
Was wären zeitgemäße linke politische Strategien angesichts dieser Veränderungen der Arbeits- und Lebensverhältnisse?
Welche gegenkulturellen Praktiken gibt es heute? An welche wäre ggf. mit emanzipativen Strategien positiv anzuknüpfen? Was ist mit der solidarischen Ökonomie heute? Ist sie Bestandteil einer linken Utopie?
Welche Organisationsformen gibt es beim Zusammengehen von alten und neuen sozialen Bewegungen (Gewerkschaften, EuroMayday, horizontale Formen, Social Movement Unionism)? Und welche Rolle spielen die Gewerkschaften?

Ablauf:
Inputreferat von Arndt Neumann und Peter Birke
Kommentar von Gisela Notz

Anschließend Roundtable-Gespräch mit allen Mitwirkenden und dem Publikum.

Mit Arndt Neumann (Historiker, Hamburg), Peter Birke (Historiker, Gruppe Blauer Montag Hamburg), Gisela Notz (Frauenforscherin, Bonn), Volker Donk (Mitarbeiter Netzwerk Selbsthilfe e.V., Bremen), Ulrich Steinmeyer (Betriebswirt, mittelständischer Öko-Unternehmer und Mitglied des Stadtrats für Neue Ökologische Linke in Verden/Niedersachsen)

Moderation: Bernd Hüttner

Aktueller Literaturtipp:
Luc Boltanski: Leben als Projekt. Prekarität in der schönen neuen Netzwerkwelt

Website des Kongresse zu Solidarischer Ökonomie im November 2006
www.solidarische-oekonomie.de/

Weitere Foren in dieser Reihe folgen ab Herbst 2007. Angedacht sind bislang
„Wohin mit dem Geld?“ Umverteilungsfragen und das Verhältnis von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft „Kommen und Bleiben?“ Migration und Rassismus – Demokratie und Differenz
„Neue Rebellion?“ Rückkehr der Gesellschaftskritik in die Popkultur? – Kultur und Politik