Erinnerungsspuren – Überlebsel aus den Anfängen der Psychoanalyse
110 Jahre Freuds Brief an Fließ vom 6. Dezember 1896
Tagung mit 8 Vorträgen mit jeweiliger Diskussion
Mit Michael Turnheim, Udo Hock, Christine Kirchhoff, Elfriede Löchel, Christoph Türcke, Daru Huppert, Lilli Gast, Peter Schneider
Freitag, 8.12. 2006 bis Sonntag, 10.12. 2006 im Gästehaus der Universität Bremen, Teerhof 58, 28199 Bremen
Anlässlich des 150. Geburtstages des Begründers der Psychoanalyse soll diese Tagung Gelegenheit bieten, 110 Jahre psychoanalytische Theoriebildung vor dem Hintergrund aktueller Fragestellungen kritisch zu hinterfragen. In einer bemerkenswerten Vorwegnahme des „linguistic turn“, welcher die Sprache in ihren strukturierenden und wirklichkeitsformenden Dimensionen fokussiert, fasst Freud in diesem Brief das Psychische in sprachlichen Termini. Seine Überlegungen zu Gedächtnis und Bewusstsein, zu Verdrängung o.ä. formuliert er in Begriffen, die aus dem Feld der Sprache stammen: Freud schreibt von „Niederschriften“, „Umschriften“, „Verdrängung als Versagung der Übersetzung“. Verfrühte, gleichsam vorträgliche Einfälle, deren Zeit erst noch kommen musste? Liest man den Brief heute, dann erscheint er als nachträglicher Ursprung einer Psychoanalyse, die das psychische Geschehen in Termini einer „als-ob-Sprache“ zu fassen versucht. Einem „Überlebsel“ gleich – auch dies ein von Freud verwendeter Begriff – scheint das hier Formulierte etwas zu sein, das eben erst über den Umweg des „linguistic turn“, der in den Kultur- und Sozialwissenschaften viel später einsetzte, (wieder)entdeckt werden und wirken konnte. Diese Passagen des Briefes stehen recht unvermittelt neben einem System „männlicher“ und „weiblicher“ Perioden, mit dem Freud und Fließ das menschliche Leben und das Auftreten psychischer Symptome in geschlechtsspezifischen Rhythmen zu erfassen versuchten. In seiner biologistischen Skurrilität wirkt dieser Versuch, das menschliche Leben naturwissenschaftlich zu begründen, zu systematisieren und nicht zuletzt zu kontrollieren, befremdlich, ja fast schon belustigend. Vielleicht gerade weil der Wunsch, der hier Vater des Gedankens gewesen sein könnte, auch heute noch virulent ist? Was ist vor diesem Hintergrund z.B. von Versuchen zu halten, die Psychoanalyse naturwissenschaftlich zu begründen? Markiert das Freud-Fließsche System der Perioden einen Ort, den heute z.B. die Neurowissenschaften einzunehmen versuchen? Im Brief scheitert Freud bei dem Versuch das, was er als „Psychisches“ verstanden haben will und als Schriftliches formuliert, mit dem „Sexuellen“, gefasst als Perioden, Phasen und Neuronen zu vermitteln. Das im Brief formulierte erweist sich als erstaunlich aktuell und ist ein Anlass, aus einer kritischen Perspektive danach zu fragen, was aus dem dort Entworfenen geworden ist. Wie artikulieren sich die obengenannten Probleme heute? Zugleich ist ein Blick zu werfen auf das auch heute zu konstatierende Auseinanderfallen von (de)konstruktivistischen Ansätzen auf der einen und (re)biologisierenden Ansätzen auf der anderen Seite. Wofür könnte dies symptomatisch sein? Lässt sich sagen, dass auf beiden Seiten – ohne diese auf der gleichen Ebene zu verorten – etwas insistiert, was auf der jeweils anderen verloren zu gehen droht?
Den Referent/innen ist gemeinsam, dass sie sich mit der Psychoanalyse Freuds kritisch auseinandersetzen, und auf jeweils ihre Weise deren emanzipativen Gehalt (von dem viel in diesem Brief angelegt ist) gegen die meist regressiv-reaktionären sogenannten Weiterentwicklungen der Psychoanalyse. Sie kommen aus unterschiedlichen akademischen Disziplinen: Psychologie, Sozialwissenschaften, Philosophie
Trotz des „Fachtagungscharakters“ auch für „Nicht-Fachleute“ und an der Psychoanalyse interessierte geeignet!
In Kooperation mit Forum für psychoanalytische Forschung (Tagungsgruppe) Universität Bremen, Hans-Böckler-Stiftung, Zentrum für feministische Studien an der Universität Bremen, Bremer Psychoanalytische Vereinigung
genauer Ablauf: Freitag: 18:00 Uhr bis 20:30 Uhr Samstag: 9:30 Uhr bis 17:45 Uhr Sonntag: 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr
Tagungswebsite: www.erinnerungsspuren.org