Jubiläumsfeier 25 Jahre rli #rli25
Die Aufzeichnung unserer Jubiläumsveranstaltung 25 Jahre rli #rli25: 25 Jahre Rosa-Luxemburg-Initiative – 25 Jahre Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen vom Freitag, 22. November 2024, im Kulturzentrum Kukoon in Bremen, kann in unserem YouTube-Kanal angeschaut werden: www.youtube.com/@rosa-luxemburg-initiative
Herzlichen Dank an alle Beteiligten und an alle, die gemeinsam mit uns gefeiert haben! #rli25
Veranstaltungsbericht von Adriana Lamar Finkel: 25 Jahre rli #rli25 vom 22. November 2024
25jähriges Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen
Podiumsdiskussion zu Perspektiven linker und emanzipatorischer politischer Bildung mit anschließendem Empfang, u.a. mit Martina Renner, Doris Achelwilm, Samim Cagri Ocakli, Vitaliy Bovar und Anastasia Zaytseva, Olaf Bernau, Florian Weis, Anna Fischer, Sofia Heuser, Nelson Jansen und Norbert Schepers.
Die Veranstaltung wird mit einer kurzen Begrüßung von Norbert Schepers eröffnet. Die Co-Moderation übernimmt der Historiker und ehemalige Geschäftsführer der Rosa-Luxemburg- Stiftung Florian Weis. Er beginnt damit, verschiedene Jahrestage anderer Geschehnisse zu nennen, die etwas mit den Arbeitsfeldern der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zu tun haben. Neben dem 25. Jährigen Jubiläum der Rosa-Luxemburg-Initiative (RLI) fiel beispielsweise die Niederlage der deutschen Armee in Stalingrad im Jahr 1946 auch auf den 22. November. Florian fährt damit fort, verschiedenen Akteuren, die zur Rosa-Luxemburg-Initiative beigetragen haben, zu danken, darunter auch der Linken und weist gleichzeitig daraufhin, dass ehrenamtliche Arbeit in Zukunft immer wichtiger werden wird, weil die Ressourcen aufgrund parteipolitischer Verhältnisse immer knapper werden.
Mit auf der Bühne steht Martina Renner, Mitglied der Linken und des Deutschen Bundestags. Sie beginnt damit, auf das Jahr 1999 zurückzublicken. Zwei Dinge sind ihr besonders in Erinnerung geblieben: zum einen die große Mobilisierung gegen den Aufmarsch der NPD in Bremen am 1. Mai, der dadurch verhindert werden konnte. Als zweites nimmt sie Bezug auf die Bürgerschaftswahlen, bei denen die PDS 2,9 % verzeichnen durfte, ein Ergebnis das damals für den Aufbau der Partei einen versprechenden Weg in Bremen ebnete. Aber 1999 war auch das Jahr des Rohrbombenanschlags des NSU in Nürnberg. Erst später wurde vielen bewusst, was das bedeutete. Es war das Eingeständnis eines Scheiterns, unter anderem darüber, dass Betroffenen nicht genug zugehört wurde. Die Arbeit der Stiftung wurde dadurch maßgeblich geprägt und es erfolgte eine kritische Aufarbeitung. In Zeiten zerstörter Illusionen wird es schwieriger mit Kritik und gemeinsamen Perspektiven umzugehen. Demnach muss die RLS in diesen Krisen ein Ort sein, Perspektiven zu entwickeln. Außerdem spricht Martina von der Notwendigkeit einer Erneuerung der Linken. Hierbei würde sie gerne die Stiftung an der Seite der Partei sehen.
Infolge dessen weist Florian daraufhin, dass die Stiftung zwar eine parteinahe Stiftung ist, sie jedoch keine Vorfeldorganisation sondern eine Umfeldorganisation darstellt. In dem Sinne kann sie unterschiedliche Rollen erfüllen. Die Stiftung sollte Mut haben, Fragen zu stellen ohne direkt Antworten zu haben – er wünscht sich, dass sie wesentlich unbequemer mit den Analysen aber im Umgang miteinander wesentlich solidarischer wird. Dazu gehört auch Aufklärung. Aufklärung ist nicht alles, aber eine Linke die nicht aufklärerisch ist, kann keine Zukunft haben.
Florian begrüßt Samim Cagri Ocakli auf der Bühne. Er versteht sich als Bildungseinwanderer, hat von 2006 bis 2014 in Bremen gewohnt und sich in dieser Zeit auch bei der Rosa-Luxemburg-Initiative engagiert, unter anderem als Vorsitzender. Neben seinem Beruf in der Wohnungslosenhilfe war er noch in der Hamburger Landesstiftung der RLS tätig. Als ein eingewanderter linker Mensch ist ihm schnell aufgefallen, dass die linken Bestrebungen um Einwanderungsdiskurse selten zusammen gedacht wurden, was ihm beispielsweise auf Demonstrationen auffiel. Aus einer linken Perspektive findet er das nicht umfangreich, weshalb er für einen mehrdimensionalen Diskurs in der linken Bildungspolitik plädiert. Migrantische Gruppen sind zum größten Teil als Arbeitergruppen hierhergekommen mit unterschiedlichen Zugängen zu politischer Bildung und Aktivismus. Die Bezugspunkte zu linker Politik waren also sehr eingeschränkt auf bestimmte Themen: Antirassismus, Integration und Diskriminierung. Es herrschte viel unterschiedliche Kritik über die gleichen Themen und die meisten migrantischen Gruppe kannten die RLS nicht einmal. Die Gesellschaften waren also so voneinander getrennt, dass die migrantischen Gruppen eigenständig politische Aktivitäten gemacht haben. Im Zusammenhang dessen betonte er wie wichtig es sei, dass eine Organisation wie die RLS Diskurse zugänglich macht.
Als nächstes wird Vitaliy Bovar zusammen mit Anastasia Zaytseva (Übersetzung) auf die Bühne begrüßt. Vitaly war einer von fünf St. Petersburger Abgeordneten, die unmittelbar ihre Opposition gegen den russischen Angriffskrieg öffentlich erklärten, und deshalb ins Exil gehen musste. Er beginnt damit, RLS und RLI zu danken, Menschen die Anfang des Krieges nach Deutschland gekommen sind, geholfen zu haben. Darüber hinaus hat sie eine Plattform geschafft, die es Menschen aus der Ukraine und Russland ermöglichte, zusammen arbeiten zu können. In Russland gibt es junge Menschen, die in die Politik gehen, aber oft keine politische Bildung haben. Studierende, die in guten Universitäten und Hochschulen studieren, bilden oft Lesekreise, in denen Foucault und Marx gelesen werden, aber sie haben oft keinen Zugang zu realer Politik. Währenddessen haben Menschen, die Realpolitik machen, selten starke politische Überzeugungen, fährt er fort. Vitaliy und seine Genoss:innen versuchen diese Situation zu lösen, indem sie Studierende und politische Bildung zusammenbringen. Dabei versuchen sie, jungen Menschen beispielsweise zu erklären, wie die Wahlergebnisse in den USA und das Erstarken der Rechten in Deutschland mit Kapitalismus zusammenhängen. In Bezug auf die besorgniserregende politische Lage in Deutschland, sieht Vitaliy auch eine Chance für die Linke. Auch wenn viele Menschen derzeit Antworten innerhalb rechter Politik suchen, können nur linke Positionen echte Antworten bieten. Er ist davon überzeigt, dass die Linkspartei diese Antworten geben kann, weshalb er auch Teil der Linkspartei in Potsdam wird. Als der Krieg gegen die Ukraine begann, nahm Vitaliy sofort eine Antikriegs-Position ein. Seine Befürchtung ist, dass der Krieg nicht nur die Ukraine, sondern auch Russland zerstören wird, was auch als Gefahr für Deutschland gesehen werden kann. Putins Plan, den Warschauer Pakt wiederherzustellen, ist kein linkes Projekt; Putin habe keine linken Ansichten, betont Vitaliy hier. Er setzt alles daran, sicherzustellen, dass die ukrainische Gesellschaft die nötige Unterstützung erhält, um sich gegen Putin verteidigen zu können, da die Ukraine ein grundlegendes Recht auf Selbstverteidigung hat.
Der Soziologe und Aktivist Olaf Berner betritt die Bühne. Er ist aktiv im transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact und hatte sowohl auf Bremer und als auch auf Bundesebene mit der RLS zu tun. Ihm fällt auf, dass meistens diejenigen die Bildungsangebote anbieten und wahrnehmen, relativ gut gebildet sind. Als Anregung schlägt er vor, dass die RLS darüber nachdenken sollte, wie sie zusammen mit den Akteuren die schon an Bord sind, andere Gruppen erreichen kann. Hier bringt er die Rolle junger Männer ein – warum wählen so viele junge Männer die AfD? Die RLS sollte überlegen wie man auch diese Leute erreichen kann. Wenn man die ganzen Gruppen, die nach rechts gerückt sind nicht mehr erreicht, dann ist für die Linke „Land unter“. In der Klimapolitik war die Stiftung der Linken Partei Meilen voraus. Er wünscht sich mehr Zusammenspiel, auch im transnationalen Basisnetzwerk. In den westafrikanischen Ländern, in denen er unterwegs ist, sieht er derzeit zum Teil eine Pro-Trump Haltung, da Trump für den Gegenentwurf zu den um sich selbst drehenden Eliten des Westens steht und teilweise sogar als Robin Hood wahrgenommen wird, welcher die Interessen der Entrechteten vertritt. Es gibt gute Gründe, warum viele junge Menschen keine Perspektiven seitens des Westen sehen, da dieser seit Jahrhunderten ihre Lebensgrundlagen zerstört. Demzufolge ist es wichtig nachvollziehen zu können, dass Menschen bei dieser Schlussfolgerung landen. Olaf wünscht sich hier aus einer transnationalistischen Perspektive, dazu beizutragen, eine Gegenperspektive zu entwickeln. Das bedeutet, sich von den etablierten Akteuren abzuwenden und gezielt auch ländliche Regionen in Westafrika einzubeziehen. Hier sieht er Herausforderungen der sich die Stiftung mehr annehmen könnte als zuvor.
Florian empfindet die Kritik als berechtigt. Auch wenn beispielsweise mit dem Programm Lux like Studium die RLS die Stiftung war, die am meisten Mitglieder aus Nicht-Akademiker:innen Haushalten gewonnen hat, ist es notwendig, auch in Stadtteile zu gehen, in denen sie schwach sind. Damit man hier nicht in paternalistische Strukturen fällt, müssen Verbindungspunkte identifiziert werden, an denen Multiplikatoren gestärkt werden können.
Olaf erwidert, dass sich in jenen westafrikanischen Gesellschaften niemand politischen Aktivismus leisten könne, außer man hat eine feste Anstellung. Man muss sich daher auf Graswurzelbewegungen konzentrieren. Es ist notwendig, zu wagen, andere Zugangsmöglichkeiten herzustellen und Programme aufzusetzen, um mit den wahren Vertretern der Bevölkerung zu reden, die sich oft viel informeller organisieren.
Als letztes spricht Doris Achelwilm, ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages und stellvertretende Vorsitzende des bremischen Landesverbandes der. Sie beginnt damit, Norbert für seinen unermüdlichen Einsatz in und für die RLI und die RLS zu danken. Die RLI stellt für sie einen Teil einer gewissen Lebensweise dar, da sie einen anderen Zugang zu Politik abseits medialer und parteipolitischer Diskurse bietet, vor allem auch aus einer internationalistischen Perspektive. Sie plädiert darauf, dass das, was von der RLS in Bremen erhalten werden kann auch erhalten werden muss. Außerdem empfindet sie die RLS zum Teil als zu selbstkritisch. Warum sie momentan schwach ist, liegt nicht allein an eigenen Fehlern. Es gibt viel politischen Raum, der zu besetzen ist. Die Linke ist in alten Interpretationsmustern gefangen, weshalb es neue Strategien braucht. Es ist wichtig, die unterschiedlichen Kontexte, in denen wir uns bewegen, zusammenzudenken. Dabei sollte auch die moderne Lebensrealität, insbesondere das Internet, stärker einbezogen werden, um zu verstehen, was Menschen verbindet. Hier spielt Bildungsarbeit eine entscheidende Rolle. Sie sollte darauf abzielen, diese gemeinsamen Anliegen herauszustellen, anstatt lediglich thematische Angebote oder Inhalte bereitzustellen. Gleichzeitig darf die Bedeutung von Social Media nicht überschätzt werden. Es ist essenziell, auch physisch präsent zu sein – vor Ort in den Regionen – und Menschen direkt zu erreichen.
Am Schluss geht Doris auf die Polarisierung ein, die sich derzeit besonders im Kontext von Migration zeigt. Die Linke muss sich darauf konzentrieren, Perspektiven zu eröffnen, beispielsweise durch die Thematisierung von Umverteilung und der zunehmenden Spaltung zwischen Arm und Reich. Diese Themen werden jedoch immer weniger angesprochen, weil die Diskussion häufig auf Gender- oder Migrationsfragen verkürzt wird. Eine solche Polarisierung und Verkürzung spielt vor allem der Rechten in die Hände. Die Linke sollte sich bewusst aus diesen Dynamiken heraushalten und sich stattdessen wieder auf ihre Kernanliegen fokussieren. Genau in diesem Prozess steckt die Partei momentan – und es gilt, diese Neuausrichtung konsequent voranzutreiben.
Florian betont am Ende, dass Netzwerke auf persönlichen Investitionen basieren und von Vertrauen abhängen. In diesem Sinne dankt er Norbert und übergibt ihm das Wort, der die Podiumsdiskussion mit abschließenden Dankesworten beendet.
Nach einer kurzen Pause und weiteren Gruß- und Dankesworten unterschiedlicher Akteure, beendet Judith Kluthe, Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Initiative, die Veranstaltung mit weiteren Einblicken in die Vereinsgeschichte und einem Appell, die Petition Die Rosa Luxemburg Initiative in Bremen muss bleiben! für den Erhalt der RLS in Bremen zu unterstützen.
(Siehe auch bei WeAct: Für den Erhalt der Rosa Luxemburg Initiative – für den Erhalt des Regionalbüros Bremen der RLS!)
Fotos: Adriana Lamar Finkel, Ruben Tietz und Tatjana Giss
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