Geschichtsnarrative in Deutschland und Frankreich im Vergleich. Wochenendseminar zu deutscher Besatzungspolitik, Widerstand und Erinnerung in Frankreich
Wochenendseminar in Bremen vom 15. bis 17. April 2011. Mit den Referentinnen Jennifer Gronau (Politologin) und Wiebke Becker (Bewegungsaktivistin).
Der Widerstand gegen die Besatzung Frankreichs 1940-1944 durch die Nationalsozialisten war im Departement Rhone-Alpes besonders stark. Nicht nur die Städte Grenoble und Lyon gelten bis heute als Orte des Widerstands, im Besonderen auch die Hochebene des Vercors ist durch seine aktive Rolle und die blutige Niederschlagung des Marquis bekannt geworden. Dies liegt zum einen in der langen Tradition dieser Orte und damit ihrer wenig antisemitischen Haltung und speziellen nationalistischen Strukturen. Zum Beispiel hat die Intervention des Bischofs von Lyon ein Umkehren der Haltung von Lasal und Petain zu der Mitwirkung der französischen Polizei bei den Razzien und Deportationen bewirken können. Zum anderen lag die besondere Rolle der Region darin begründet, dass sie zur Südzone und damit zum nicht besetzten Teil Frankreichs gehörte. Zudem waren Teile des Departements zeitweise von italienischen Truppen besetzt.
Anhand dieser lokalen Besonderheiten kann sich sowohl der Politik Vichys genähert werden, als auch der Besatzungspolitik des italienischen Faschismus und nicht zuletzt auch den Bestrebungen der auf Kollaboration angelegten Besatzungspolitik der Deutschen.
In den letzten Jahrzehnten hat es auch innerhalb Frankreichs starke erinnerungspolitische Kämpfe um diese Region gegeben. Vor allem die Recherchen von Serge und Beate Klarsfeld ermöglichten, dass in den 1980er Jahren im Prozess gegen den SS-Obersturmbannführer von Lyon, Klaus Barbie, die Geschichte der Region neu verhandelt wurde. Erst ab Mitte der 1990er Jahre wurden die Geschichtsbücher und Erinnerungsstätten den neuen historischen Erkenntnissen angepasst und die starke Mitwirkung des Vichy-Regimes an den Verfolgungen der französischen und ausländischen Juden und Jüdinnen explizit thematisiert und in der Gedenkarbeit berücksichtigt.
Im Rahmen eines Wochenend-Seminars sollen anhand dieser konkreten Region das historische Geschehen und die unterschiedlichen soziokulturellen und politischen Einflüsse erarbeitet und kritisch diskutiert werden. Wir wollen damit einen Raum schaffen, in dem nicht nur die Konsequenzen des nationalsozialistischen Imperialismus, seiner Zwangsarbeitspolitik und des Vernichtungswahns beleuchtet werden, sondern auch anhand ‚anderer’ nationaler Erinnerungsnarrative und ‚lieux de mémoire’ der Bedeutung des Holocaust in den heutigen Entwürfen von Nationen nachgespürt werden kann.
In der Reihe „Antifaschistische Perspektiven des Erinnerns“ der Rosa Luxemburg Initiative Bremen“
Referentinnen:
Jennifer Gronau, Politologin, arbeitet u.a. zu nationalen Erinnerungsdiskursen und hat sich intensiv mit soldatischen Gedenkpraktiken am Beispiel der Gebirgsjägertreffen im Bayrischen Mittenwald befasst.
Wiebke Becker, Bewegungsaktivistin, Arbeitsschwerpunkte: französischer Widerstand, Besatzungspolitik, Kollaboration
Anmeldungen an:
urban@rosa-luxemburg.com // Anmeldefrist bis 4. April 2011
Teilnehmer_innenanzahl: max. 18
Freitag: 15.4 von 17-20 Uhr (abends besteht die Möglichkeit ‚la fiche rouge’ zu sehen)
Samstag: 16.4, 10:00 bis 18:30 Uhr (abends optional: ‚liberté’ / ‚le raffle’)
Sonntag: 17.4.2011, 10:00 bis 16:00 Uhr