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Befreiendes Denken im Schatten von Auschwitz
16. April | 19:00 - 21:00
Eine Veranstaltung um 19:00 Uhr am 16. April 2024
Eine Veranstaltung um 19:00 Uhr am 25. Juni 2024
Eine Veranstaltung um 19:00 Uhr am 3. September 2024
Eine Veranstaltung um 19:00 Uhr am 1. Oktober 2024
Eine Veranstaltung um 19:00 Uhr am 5. November 2024
Jüdische Intellektuelle der 1920er und 1930er Jahre für die Befreiung des Menschen aus Ausbeutung und Unterdrückung – von den Nazis ermordet, vertrieben oder vergessen gemacht
Vortragsreihe mit Wolfgang Hien von März bis November 2024 in Bremen
jeweils Dienstags um 19 Uhr im Kulturzentrum Kukoon im Buntentor oder in der Blauen Manege in der Überseestadt
Der Arbeits- und Gesundheitswissenschaftler Wolfgang Hien beschäftigte sich im Lauf seiner Forschungsarbeiten zur Sozialgeschichte der Industriearbeit in Deutschland und Österreich von der Hochindustrialisierung bis heute intensiv mit der „Zeit“, dem Zeitgeist, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte und zu der Katastrophe des Nationalsozialismus führte. Es enthüllte sich die Kontinuität eines durchweg brutalen Sozialdarwinismus (der im heutigen Neoliberalismus wieder auf- und fortlebt). Das Leid der arbeitenden Massen, die Thematisierung von Leid und Leiden überhaupt, war und ist verpönt. Er hat nach „Gegenstimmen“ gesucht, nach Stimmen, die die andere Seite des Fortschritts in den Blick nahmen und fand fast durchweg Stimmen jüdischer Intellektueller. Genau dies scheint ihm zugleich ein Grund für den seit etwa 1870 stetig wachsenden Antisemitismus zu sein. Humanität war in den Augen der Elite der Gegenpol zur Härte und Stärke, die man sich für das „Deutschtum“ wünschte. Es galt, die „Humanitätspropaganda der Juden“ zu bekämpfen und auszumerzen (vgl. Hermann Glaser: Bildungsbürgertum und Nationalismus, München 1993).
Im Verlauf der Vortragsreihe zwischen März und November 2024 wird Wolfgang Hien sechs jüdische Intellektuelle vorstellen, die ihm als Vertreter:innen von Humanität, Menschenwürde und „Verantwortung von anderen her“ (Emmanuel Levinas) begegneten:
Dienstag, 5. März, 19:00 Uhr,
Kukoon, Buntentorsteinweg 29 |
Ludwig Teleky |
Dienstag, 16. April, 19:00 Uhr,
Kukoon, Buntentorsteinweg 29 |
Käthe Leichter |
Dienstag, 25. Juni, 19:00 Uhr,
(Blaue Manege, Kommodore-Johnsen-Boulevard 11 (Überseestadt) |
Simone Weil |
Dienstag, 03. September, 19:00 Uhr
(Blaue Manege, Kommodore-Johnsen-Boulevard 11 (Überseestadt) |
Edith Stein |
Dienstag, 01. Oktober, 19:00 Uhr,
Kukoon, Buntentorsteinweg 29 |
Primo Levi |
Dienstag, 05. November, 19:00 Uhr,
Kukoon, Buntentorsteinweg 29 |
Emmanuel Levinas |
Ludwig Teleky, ein sozialdemokratischer Arzt und Begründer der modernen Arbeits- und Sozialmedizin in Wien und Düsseldorf, musste 1938 emigrieren. Nach dem Krieg hoffte er auf eine Professur in Wien oder Berlin, doch er war und blieb unerwünscht. Als Beispiele seiner Tätigkeit wird auf die Lungentuberkulose und die Quecksilbervergiftung der Wiener Hutmacher eingegangen.
Käthe Leichter, Wienerin, Pazifistin, Sozialistin, gehört zu den großen Kämpferinnen für die Befreiung der Arbeiterinnen aus Elend und Abhängigkeit. Sie arbeitete aktiv im Widerstand gegen die Austrofaschisten und die Nazis. Sie wurde verraten, kam ins KZ Ravensbrück und wurde 1942 von den Nazis ermordet. Es wird eine längere Passage aus ihren in der Haft geschriebe-nen und aus dem KZ herausgeschmuggelten Lebenserinnerungen zitiert.
Simone Weil, eine französische Philosophin, verbrachte ein Jahr ihres Lebens am Fließband der Renault-Werke. Ihre Erfahrungen verarbeitete sie zu einem Programm der Humanisierung des Arbeitslebens. Simone Weil war in der Resistance gegen die Nazis aktiv und verstarb 1943 an Entkräftung. Es werden Passagen aus ihren Texten „Erfahrungen aus dem Fabrikalltag“ und „Grundbedingungen einer nicht servilen Arbeit“ zitiert.
Edith Stein, Philosophin und moderne Mystikerin, gehört zu den bedeutsamsten Frauenrechtlerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihr Schicksal ist von einer besonderen Tragik: Sie wurde in einem niederländischen Kloster der Karmeliterinnen von den Nazis aufgespürt und 1944 in Auschwitz ermordet. Edith Stein entwickelte eine Leibphilosophie, die an einer Vorstellung von „Seele“ festhält. Es wird aus ihrer Studie „Zum Problem der Einfühlung“ zitiert.
Primo Levi, Mitglied der Resistenzia, kam als junger Chemiker nach Auschwitz und dort in die Chemiefabrik der I.G. Farbenindustrie. Er hat überlebt und konnte durch seine Zeugenschaft dazu beitragen, ein genaueres Bild des deutschen Faschismus in seiner von der Großindustrie geprägten soziomentalen Struktur zu zeichnen. Zitiert wird aus seinem letzten Werk: „Die Untergegangenen und Geretteten“.
Emanuel Levinas, in Litauen geboren, ging bereits in den 1920er Jahren zum Studium der Philosophie nach Frankreich. Seine gesamte litauische Familie fiel der deutschen Ausrottungspolitik zum Opfer. Levinas geriet als französischer Soldat 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft und entwickelte nach dem Krieg eine große Philosophie der Verantwortung. Es wird eine Passage aus seiner späteren Vorlesung „Ethik als Erste Philosophie“ zitiert.
Veranstalter:innen:
VVN-BdA – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Bremen, Rosa-Luxemburg-Initiative – Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen, Kulturzentrum Kukoon
Fotoquellen:
Eine Touristin sitzt in der Tür eines Reisebusses auf dem Parkplatz am Lagertor. © Danny Ghitis. Siehe https://www.zeit.de/reisen/2011-11/fs-auschwitz-3
Emmanuel Levinas. Von Bracha L. Ettinger, CC BY-SA 2.5, siehe https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34724186